Aktuelle schwedische Studie: Erhöhtes Risiko von tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und Blutungen nach einer Covid-19-Erkrankung
Schwedische Wissenschaftler haben in einer Studie über einen Zeitraum von 14 Monaten das Risiko von tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und Blutungen nach einer Covid-19-Erkrankung untersucht. Die Ergebnisse deuten auf ein signifikant erhöhtes Risiko hin, das man ernst nehmen sollte. Wir erläutern im Folgenden die wichtigsten Inhalte und Ergebnisse der Studie.
Was wurde untersucht und wer hat die Studie durchgeführt?
In der schwedischen Studie „Risks of deep vein thrombosis, pulmonary embolism, and bleeding after COVID-19: nationwide self-controlled cases series and matched cohort study“, die am 06. April 2022 veröffentlicht wurde, wurde das Risiko von tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und Blutungen nach einer Covid-19-Erkrankung untersucht. Das Ziel bestand darin, die Häufigkeit von Erkrankungen dieser Art und die Höhe des Risikos festzustellen.
Durchgeführt wurde die Studie von acht schwedischen Experten aus den Bereichen Medizin, Epidemiologie, Statistik, Chirurgie und Kardiologie.
Wer hat an der Studie teilgenommen?
Die Teilnehmer der Studie waren 1.057.174 Personen in Schweden, die innerhalb des festgelegten Zeitraums vom 1. Februar 2020 bis zum 25. Mai 2021 positiv auf SARS-Cov-2 getestet wurden. Dabei waren 49% dieser Personen Männer und 51% Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 40,2 Jahre. Dieser Untersuchungsgruppe wurde eine Kontrollgruppe mit 4.076.342 Personen gegenübergestellt, die ähnliche Merkmale in Bezug auf Alter, Geschlecht und Wohnort aufweisen.
Die verwendeten Informationen stammen aus nationalen Registern der schwedischen Gesundheitsbehörde. Die persönlichen Identifikationsnummern wurden an das schwedische Statistikamt übermittelt.
Wie wurde die Studie durchgeführt?
Für die Studie wurde eine selbstkontrollierte Fallserienmethode verwendet. Dabei wurde das Auftreten eines ersten thromboembolischen Ereignisses oder einer Blutung in verschiedenen Zeitperioden nach einer Covid-19-Erkrankung beobachtet. Im Vorhinein wurden diese Zeitperioden als Risikoperioden festgelegt. Diese Risikoperioden waren 1-7, 8-14, 15-30, 31-60, 61-90 und 91-180 Tage nach Covid-19 innerhalb des Studienzeitraumes. Die übrigen Zeitabschnitte vor und nach der Covid-19-Erkrankung waren die Kontrollzeiträume.
Des Weiteren wurde eine vergleichende Kohortenstudie durchgeführt, das heißt, die beobachtete Patientengruppe der an Covid-19-Erkrankten wurde der Kontrollgruppe ohne Covid-19-Positivität gegenüber gestellt und die Risikoverhältnisse und Befunde für thromboembolische Ereignisse miteinander verglichen.
Was sind die Ergebnisse?
Tiefe Venenthrombose:
Im Rahmen der selbstkontrollierten Fallserie hatten 1761 Teilnehmer ein erstes Ereignis einer tiefen Venenthrombose. Dabei waren 44,5% der Betroffenen weiblich und 55,5% männlich. Im Vergleich zum Kontrollzeitraum war die Menge der Ereignisse bis zu 90 Tage nach Covid-19 signifikant erhöht. Dabei stiegen die Inzidenzen für eine tiefe Venenthrombose mit dem Alter an, während das Geschlecht keinen auffälligen Einfluss zu haben schien.
Das Risiko für Covid-19-Erkrankte mit einem schweren Verlauf schien gegenüber leichten Verläufen erhöht zu sein. Ebendiese Ergebnisse fanden sich auch bei der vergleichenden Kohortenstudie. Auch eine Langzeit-Antikoagulationstherapie (Gabe von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung) scheint nicht vor tiefen Venenthrombosen zu schützen.
Blutungen:
Im Rahmen der selbstkontrollierten Fallserie gab es bei 7927 Teilnehmern ein erstes Blutungsereignis. Das Inzidenzratenverhältnis war im Vergleich zum Kontrollzeitraum bis zu 60 Tage nach Covid-19 erhöht. Das Risiko von Blutungen war bei männlichen Teilnehmern und mit zunehmendem Alter signifikant größer. Während bei leichten Covid-19-Verläufen kein erhöhtes Blutungsrisiko beobachtet wurde, wurde bei schweren Verläufen ein deutlicher Anstieg festgestellt. Zudem konnte ein Zusammenhang zwischen einer Langzeit-Antikoagulationstherapie und einem erhöhten Blutungsrisiko nachgewiesen werden.
Lungenembolie:
Bei 3267 Teilnehmern der selbstkontrollierten Fallserie kam es im Untersuchungszeitraum zu einer ersten Lungenembolie. Im Vergleich zum Kontrollzeitraum war das Risiko bis zu 110 Tage nach Covid-19 signifikant erhöht. Zudem wurde ein deutlicher Einfluss des Geschlechts und des Alters auf die Inzidenzraten festgestellt. So waren männliche Teilnehmer in den ersten drei Monaten nach Covid-19 stärker für eine Lungenembolie gefährdet als weibliche Teilnehmer und das höchste Risiko wurde in der Altersgruppe 50-70 beobachtet. Auch hier war das Risiko für Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen erhöht.
Durch die Ergebnisse der vergleichenden Kohortenstudie ist das erhöhte Risiko deutlich zu erkennen: Es gab nur 444 Lungenembolie-Ereignisse bei Kontrollteilnehmern, aber 2226 Ereignisse bei Teilnehmern mit Covid-19. Allerdings scheint eine Langzeit-Antikoagulationstherapie eine schützende Wirkung gegenüber Lungenembolien zu haben.
Fazit
Die Studie zeigt, dass das Risiko für eine erste tiefe Venenthrombose für bis zu drei Monaten nach einer Covid-19-Erkrankung signifikant erhöht ist. Das Risiko, eine Lungenembolie zu erleiden ist sogar für bis zu sechs Monate nach einer Covid-19-Erkrankung deutlich höher. Ein erhöhtes Risiko für ein Blutungsereignis konnte für bis zu zwei Monate nach der Covid-19-Erkrankung festgestellt werden.
Die beiden verwendeten, unterschiedlichen Forschungsarten zeigen durchweg erhöhte Risiken, unabhängig von der Methode. Generell zeigte sich ein nochmals erhöhtes Risiko bei Patienten, die einen schweren Covid-19-Verlauf hatten und infolgedessen in ein Krankenhaus eingeliefert oder stationär auf einer Intensivstation behandelt wurden.
Vorbeugung
Die vorliegenden Ergebnisse der Studie zeigen die Wichtigkeit von vorbeugenden Maßnahmen gegen das Auftreten von thrombotischen Ereignissen auf. Dies gilt besonders für Risikopatienten und Menschen mit einer Vorbelastung für venöse Erkrankungen oder mit einem grundsätzlich durch Risikofaktoren (z.B. Bewegungsmangel, Rauchen, Medikamente) erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse. Wie die Studie zeigt, scheint eine medikamentöse Langzeit-Antikoagulationstherapie nicht vor tiefen Venenthrombosen zu schützen, weshalb sich die Prophylaxe mit kompressiven Strümpfen anbietet.
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